Individuelle oder betriebliche Altersversorgung?
Schließt ein Betrieb eine Betriebsvereinbarung, mit der sie die betriebliche Altersversorgung regelt, sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer hierin integriert. Das Bundesarbeitsgericht erlaubt eine Abweichung von einer nicht als Betriebsvereinbarung geregelten Versorgungszusage durch Individualabrede nur, wenn diese den betroffenen Mitarbeiter nicht benachteiligt. Bei einer Abweichung von rund 81.000 Euro von drei Jahren liege eindeutig eine Schlechterstellung vor.
Betriebsvereinbarung bei Einstellung noch nicht fertig
Eine Kapitalanlagegesellschaft stellte den Kläger 1986 als Fondsmanager ein. Sie verhandelte gerade eine Betriebsvereinbarung, um die betriebliche Altersversorgung zu regeln. Der Kläger selbst war noch von seinem vorherigen Arbeitgeber in der BVV, dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes aG, versichert worden. Um diese Anwartschaft nicht zu verlieren, war er mit einer einzelvertraglichen Vereinbarung einverstanden, mit der seine neue Arbeitgeberin sich verpflichtete, seine Beiträge in der BVV zu tragen, und er aus ihrer zukünftigen betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen wurde. Die Betriebsvereinbarung wurde 1988 geschlossen und in der Folge mehrfach durch betriebliche Versorgungsordnungen ersetzt. Nach Eintritt in den Versorgungsfall forderte der Ruheständler die Differenz zwischen der Betriebsrente vom BVV und der betrieblichen Rente nach der betrieblichen Versorgungsordnung aus dem Jahr 2007. Seine Feststellungsklage hatte keinen Erfolg (rechtskräftig). Nunmehr forderte der Kläger unter anderem die Zahlung der Differenz zwischen der BVV-Rente und der Rente nach der VO 1995 in Höhe von rund 81.000 Euro. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte seiner Forderung teilweise entsprochen, das Landesarbeitsgericht Hessen wies die Klage ab. Dagegen wehrte sich der Rentner vor dem BAG – mit Erfolg.
Keine Unzulässigkeit wegen Vorprozesses
Der vorherige Rechtsstreit um die Feststellung seiner Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2007 hindere die Zulässigkeit der Klage nicht, so das BAG am 02.12.2021 (Az.: 3 AZR 123/21). Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, bestehend aus dem Klageantrag und dem Klagegrund, sei der jetzige Streitgegenstand ein anderer: Habe sich der Vorprozess um die Rente aus der Betriebsvereinbarung 2007 gedreht, gehe es nun um die Versorgungsordnung 1995. Damit unterscheiden sich die Klagegründe – die Lebenssachverhalte – wesentlich voneinander.
Einzelabrede ist unbeachtlich
Die Forderung des Ruheständlers sei auch begründet, befand der 3. Senat für Arbeitssachen. Zwar habe er dem Ausschluss aus der betrieblichen Altersversorgung zugestimmt. Die Einzelabrede sei aber nach § 134 BGB unwirksam: Sie verstoße gegen § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, wonach Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten. Wenn sich ein Betrieb entschließt, die Altersversorgung kollektiv zu regeln, kann er dem BAG zufolge nicht einzelne Arbeitnehmer davon ausschließen. Selbst wenn es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung gehandelt habe, ändere sich nichts: Die Arbeitgeberin wäre dann verpflichtet gewesen, den Arbeitnehmer mit Einführung der neuen Versorgungsordnung nach § 241 Abs. 2 BGB zu integrieren oder zumindest mit ihm eine gleichwertige Lösung auszuhandeln. Da sich die Kapitalanlagegesellschaft treuwidrig verhalten habe, sei ihr die Berufung auf die Einzelabrede nach Treu und Glauben, § 242 BGB, verwehrt.