Haftung des Vermieters bei "kalter" Wohnungsräumung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 14.7.2010 eine Entscheidung zur Haftung des Vermieters bei eigenmächtiger Wohnungsräumung getroffen. In einem Fall aus der Praxis war ein Mieter ab Februar 2005 für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und wurde von Verwandten als vermisst gemeldet. Nachdem die Mieten für die Monate März und April 2005 nicht gezahlt worden waren, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos. Im Mai 2005 öffnete er die Wohnung und nahm sie in Besitz. Hierbei entsorgte er einen Teil der Wohnungseinrichtung. Einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte er bei sich ein. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der Mieter für die ihm nach seiner Behauptung im Zuge der Räumung abhandengekommenen, beschädigten oder verschmutzten Gegenstände Schadensersatz von rund 62.000 € zuzüglich der ihm entstandenen Gutachterkosten verlangt.
Die Richter des BGH haben hier entschieden, dass der Vermieter für die Folgen einer solchen Räumung haftet. Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen eine unerlaubte Selbsthilfe dar. Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge Kündigung entfallen ist. Der Vermieter muss sich auch in diesen Fällen - gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage - einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übt ein Vermieter stattdessen im Wege einer sogenannten "kalten" Räumung eine verbotene Selbsthilfe aus, ist er verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Von dieser Ersatzpflicht wird insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Denn den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nimmt, trifft für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts weiß und deshalb auch nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehört zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, dass er ein Bestandsverzeichnis aufstellt und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellt. Kommt er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, muss er die Behauptung des Mieters widerlegen, dass bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhandengekommen oder beschädigt worden seien, und beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten, als vom Mieter behauptet.